Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei der Gestaltung resilienter Lieferketten? Und wie kann ich Risiken in meiner Lieferkette minimieren? Im Interview erklären Stuart Swindell, Senior Product Director bei Dun & Bradstreet, sowie Christin Schmidt, Senior Consultant für ESG und Compliance bei Dun & Bradstreet, worauf Unternehmen bei der Gestaltung einer resilienten Lieferkette unbedingt achten sollten.
Die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, Inflation und Klimakatastrophen – die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie schnell Lieferketten brechen können. Zusätzlich stellen wachsende regulatorische Anforderungen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die gesetzlichen Sorgfaltspflichten der Unternehmen im Zusammenhang mit Environmental, Social and Governance (ESG), der Verhinderung von Geldwäsche und Know Your Customer (KYC) gehen mittlerweile weit über das eigene Unternehmen hinaus. Gesetzgeber verpflichten Unternehmen zur Wahrung von Menschenrechten sowie des Umweltschutzes entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Gestaltung widerstandsfähiger Lieferketten ist für global agierende Unternehmen zu dem Differenzierungsmerkmal geworden.
Herr Swindell, warum spielen gerade Daten bei der Gestaltung von resilienten Lieferketten eine entscheidende Rolle?
Stuart Swindell: Exakte Daten zu haben, ermöglicht es Unternehmen, agile Entscheidungen zu treffen, um auf neue Marktbedingungen zu reagieren. Je besser Unternehmen ihre Lieferanten kennen. Je mehr Daten sie zu einem Lieferanten haben. Desto besser können sie Risiken einschätzen und frühzeitig die richtigen Maßnahmen ergreifen, um Lieferengpässen oder Produktionsstopps vorzubeugen.
Auf den Punkt gebracht: Daten helfen dabei effizient herauszuarbeiten, wo die größten Risiken in der Lieferkette sind, um angemessen darauf reagieren zu können.
Wie lassen sich Risiken in der Lieferkette am besten identifizieren?
Bezieht ein Industrieunternehmen beispielsweise 30 Prozent seiner Teile von Lieferanten aus China. Dann braucht dieses Unternehmen unbedingt Länderdaten über China. Schließlich kann die wirtschaftliche und politische Lage in einem Land einen großen Einfluss auf die Lieferanten haben. Genauso wichtig sind aber auch Finanzdaten über den Lieferanten sowie Industriedaten. Zusätzlich bietet Dun & Bradstreet sogenannte Shipping Insights an. Diese Informationen geben Aufschluss darüber, wie pünktlich Güter geliefert werden. Es kommt auf die richtige Kombination von Daten an. Die Mischung macht’s.
Mit der D&B D-U-N-S®-Nummer von Dun & Bradstreet lassen sich Unternehmen weltweit eindeutig identifizieren. Darüber lassen sich unter anderem Informationen zu Unternehmensverflechtungen von Lieferanten, Eigentumsverhältnissen, der Branche und vieles mehr abrufen. So lässt sich ein Bild von der Organisationsstruktur der Lieferanten zeichnen und man erhält einen Überblick darüber, wie Unternehmen innerhalb von Konzernen miteinander in Verbindung stehen.
Christin Schmidt: Neben klassischen Stammdaten sowie Finanzdaten sind auch ESG-Daten zur Risikoeinschätzung von Lieferanten besonders wichtig. ESG-Daten helfen bei der Einstufung von Lieferanten im Hinblick auf die Einhaltung von Umweltstandards, Menschenrechten oder Arbeitssicherheit. Ein wichtiger Aspekt gerade im Hinblick auf die Compliance und Reputation eines Unternehmens. Dun & Bradstreet liefert ESG-Daten zu Unternehmen weltweit.
Wie kann ich basierend auf diesen Daten die Risiken in meiner Lieferkette minimieren?
Christin Schmidt: Die Daten zeigen auf, wo in der Lieferkette die größten Risiken bestehen. Diese Risiken müssen im nächsten Schritt bewertet werden. Dafür werden die Lieferanten in die Kategorien rot (hohes Risiko), gelb (mittleres Risiko) und grün (geringes Risiko) eingeteilt. Diese Bewertung der Risiken hilft dabei, ein klares Bild zu zeichnen, wo Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Lieferkette widerstandsfähiger zu machen. Wo muss ich beispielsweise nach einem weiteren Lieferanten Ausschau halten, der einspringen kann, wenn mein anderer Zulieferer ausfällt?
Was sind aktuell die größten Herausforderungen beim Management von Lieferketten?
Stuart Swindell: Die meisten Unternehmen kennen ihre direkten Lieferanten. Sie kennen jedoch nicht die Lieferanten ihrer Lieferanten. Tier-2, Tier-3, Tier-n Lieferanten sind den Unternehmen oft nicht bekannt. Das stellt das größte Risiko in der Lieferkette dar. Denn das macht es so schwierig, alle Risiken aufzudecken.
Wir haben bereits erste Projekte erfolgreich realisiert, in denen wir auf Basis umfangreicher Analysen auch Tier-2 sowie Tier-3 Lieferanten identifiziert haben. Über Webcrawling lassen sich Tier-n Lieferanten identifizieren. Dafür werden durch den Einsatz von KI Unternehmenswebseiten durchsucht, um herauszufinden, wer dort als Kunde des Lieferanten genannt wird. So lassen sich mögliche Beziehungen herstellen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Erfolgsfaktoren für eine resiliente Lieferkette?
Schmidt: Daten, Daten, Daten. Auf Basis dieser Informationen lassen sich am effizientesten Risiken in der Lieferkette aufdecken.
Stuart Swindell: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist sicher auch der Aufbau einer engen Beziehung zu den Lieferanten. Je besser ich meine direkten Lieferanten kenne, desto besser kenne ich auch meine Tier-2, Tier-3, Tier-n Lieferanten. Das ist ein entscheidender Faktor auf dem Weg zur resilienten Lieferkette.