Die sieben wichtigsten Fragen zur Automatisierung im Credit Management

Immer mehr Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Prozesse zu automatisieren. Dieser Trend macht auch vor dem Credit Management nicht Halt. Welche Fragen Sie sich stellen müssen, bevor Sie ein solches Projekt angehen, beantwortet Helge Gerhard, Senior Business Consultant bei Dun & Bradstreet.

1. Warum werden Prozesse im Credit Management automatisiert? 

Helge Gerhard: Im Credit Management gibt es viele wiederkehrende, gleichartige Aufgaben. Diese Prozesse lassen sich gut standardisieren und durch IT-Unterstützung automatisieren. Eine manuelle Bearbeitung erfordert viel Zeit, ist fehleranfällig und bindet personelle Ressourcen. Eine Automatisierung der Prozesse sorgt für mehr Effizienz und ermöglicht Credit Managern sich auf komplexere Aufgaben zu konzentrieren, die tiefergehende Fachkenntnisse erfordern.

2. Welche Prozessschritte im Credit Management sollte ich automatisieren? 

Gerhard: Die Automatisierung im Credit Management kann an verschiedenen Stellen sinnvoll sein. Hierzu zählen zum Beispiel die Überwachung von Zahlungseingängen, die Erstellung von Mahnungen, die Überwachung von Limiten sowie die fortlaufende Analyse von Kreditrisiken bei Neu- und Bestandskunden. Eine effektive Automatisierung sollte stets im Einklang mit der Credit Policy des Unternehmens stehen beziehungsweise im Rahmen der Credit Policy dokumentiert sein. Auf diese Weise ist jederzeit klar, warum und wie Prozesse ablaufen. Dies erzeugt Transparenz und Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Sinnvoll ist es außerdem sich zuerst auf die Prozesse zu konzentrieren, die den größten Nutzen für das Unternehmen mit sich bringen. Sukzessive Erweiterungen sind immer möglich.

3. Bis zu welchem Grad kann ich meine Prozesse im Credit Management automatisieren? 

Gerhard: Ein hoher Automatisierungsgrad sorgt für effizientere Prozesse. Trotzdem strebt die Automatisierung in der Regel nicht die 100%-Abdeckung an. Warum? Der Aufwand, komplexe Entscheidungen mit existierenden Ausnahmen und Sonderfällen zu automatisieren, ist häufig unverhältnismäßig. Deshalb überlässt man komplexere Entscheidungen in der Regel qualifizierten Mitarbeitern und konzentriert sich bei der Automatisierung auf die gut standardisierbaren Prozessteile. Wie weit eine Automatisierung geht, welche Ausnahmen und Entscheidungswege es gibt, legt jedes Unternehmen selbst fest.

4. Was sind Ihre Erfahrungen aus der Praxis? 

Gerhard: Jedes Unternehmen hat differenzierte Anforderungen, Prozesse und unterschiedliche Systeme im Einsatz. Dementsprechend variieren auch die zu automatisierenden Prozesse im Credit Management. Unternehmen mit begrenzten IT-Ressourcen verwenden normalerweise für eine Integration in die eigenen Systeme (z.B. ERP, CRM) bestehende Standard-Konnektoren. Das bedeutet, sie verwenden eine existierende Software eines externen Anbieters, die Ihre Bedürfnisse möglichst gut abdeckt. Die Erstellung einer kundenspezifischen Lösung unter Verwendung einer Schnittstelle (API) ermöglicht mehr Flexibilität und Individualisierung in der Automation, benötigt aber auch mehr IT-Ressourcen.

Häufig findet eine Automatisierung auch schrittweise statt. So starten Unternehmen gerne mit einer standardisierten, browser-basierten Weblösung. Damit sammeln sie Erfahrungen mit externen Daten und möglichen Folgeprozessen. Im Anschluss gehen sie den Weg der Integration in die eigenen Systeme. 

5. Welche Daten sollten Credit Manager unbedingt einbeziehen?  

Gerhard: Eine zuverlässige und global konsistente Datenbasis ist entscheidend für eine erfolgreiche Automatisierung im Credit Management. Nur so ist die Credit Policy international breit einsetzbar. Generell ist eine Kombination aus internen und externen Informationen sinnvoll, um die Aussagekraft zu erhöhen und damit die Effizienz der Automatisierung zu verbessern.  

Für Bestandskunden stellen die internen Zahlungserfahrungen des Unternehmens eine wertvolle Informationsquelle dar. Ergänzend kommen typischerweise externe Informationen wie Jahresabschlussdaten oder Scores/Ratings hinzu, die eine Ausfallwahrscheinlichkeit prognostizieren. Auch Verflechtungsdaten, die Beziehungen zu anderen Unternehmen und damit verbundenen Risiken aufzeigen, sind mittlerweile Best-Practice. 

Für neue Geschäftsbeziehungen steht zunächst die sichere Identifizierung des potenziellen Geschäftspartners im Vordergrund. Der Zugang zu externen Referenzdatenbanken ist hilfreich für einen Stammdatenabgleich. Da noch keine internen Zahlungserfahrungen vorliegen, kommen hier oft externe Zahlungserfahrungen aus sogenannten Zahlungserfahrungspools zum Einsatz. Diese zeigen auf, wie pünktlich der Geschäftspartner bei anderen Unternehmen bezahlt. Zusätzlich werden bei der Neukundenprüfung auch die klassischen Jahresabschlussdaten und Bonitätseinschätzungen miteinbezogen.

6. Wie gehen Credit Manager am besten vor? 

Gerhard: Eine sinnvolle Automatisierung geht mit der Definition einer soliden Credit Policy einher, in der alle ausgeführten Schritte beschrieben sind. Bei einer Bonitätsprüfung kann das wie folgt aussehen:

  • Einteilung der Geschäftspartner in Typen (z.B. A-, B-, C-Kunden) 
    Diese Einteilung basiert auf der Bedeutsamkeit des Kunden für das Unternehmen. Häufig werden dazu Werte wie historischer Umsatz oder Marge für die Einteilung verwendet. Für neue Kunden ist diese Einteilung auf Basis von Annahmen zu treffen. 

  • Definition konkreter Maßnahmen für die Risikoprüfung jedes Geschäftspartner-Types
    Die Maßnahmen unterscheiden sich je nach initialer oder fortlaufender Risikoprüfung, in der Breite der einzuholenden, externen Informationen sowie der Häufigkeit der Aktualisierung. 
     
  • Interpretation und Ableitung von Folgemaßnahmen 
    Nun erfolgt die Bewertung des Geschäftspartners anhand der in der Credit Policy definierten Datenpunkte und Regeln. Je nach Ergebnis der Bewertung (z.B. in einer Ampelfarbe von rot, gelb oder grün) sind dann geeignete Maßnahmen abzuleiten und nachfolgend via IT umzusetzen. Folgeschritte können automatisch generierte Handlungsanweisungen an zuständige Mitarbeiter zur vertieften, manuellen Prüfung sein oder vollautomatische Maßnahmen, wie das Setzen von Lieferstopps. Eine technische Automatisierung kann die definierten Regeln abbilden sowie schnell, fehlerfrei und großer Stückzahl anwenden.

7. Wie lange dauert es, bis die Prozesse im Credit Management automatisiert sind? 

Gerhard: Ein solches Projekt kann je nach Umfang und Komplexität des Prozesses unterschiedlich lange dauern. Es ist wichtig, eine realistische Zeitplanung zu erstellen und alle beteiligten Personen und Abteilungen rechtzeitig einzubeziehen. Hierbei sollten auch Aspekte wie Verfügbarkeit von IT-Ressourcen, Wartungsfenster, notwendige externe Parteien, Schulungen und Tests berücksichtigt werden.