Eine Frage der Balance
Die Einnahmen müssen die Ausgaben übersteigen. Es hört sich so simpel an, aber die Menge an Unsicherheitsfaktoren im Cashflow-Management steigt kontinuierlich an und erschwert die Vorhersage der Liquiditätsentwicklung.
„Der Verschuldungsgrad in der dänischen Landwirtschaft ist auch deshalb markant gestiegen, weil die Werte weggebrochen sind. Neue Kredite werden nicht genehmigt, das heißt es gibt keine frische Liquidität. Auch der Generationswechsel wird erschwert, was zu einer Überalterung der Betriebsleiter führt. Die Betriebe müssen sich selbst helfen, weil sich auch die Banken in Schieflage befinden.“
Dänemarks Landwirtschaft ist praktisch pleite. Das sagt Sune Hallberg, eine dänische Unternehmensberaterin, die auf Landwirtschaft spezialisiert ist. Wohlgemerkt nicht einzelne Höfe sondern eine ganze Branche. Und dann noch eine Branche, die innenpolitisch und dieser Tage besonders auch ökologisch hochsensibel ist. Man kann sich die Stammtischdiskussionen vorstellen.
Das obige Zitat dokumentiert geradezu modellhaft, wie Liquidität heute funktioniert und was alles passieren kann, wenn die Cash-Ströme ins Stocken geraten. Nicht die Absatzmärkte sind weggebrochen. Das wäre ein sehr klassisches Liquiditätsproblem. Auch von gestiegenen Energiekosten ist hier nicht die Rede. Es geht um die Unternehmensbewertungen durch eine schwächelnde und das Risiko scheuende Finanzbranche, die dazu führen, dass sich die Zinsen für Investitionskredite verteuern und den Bauern die Liquidität entziehen. In den frühen 2000ern war in Dänemark ein regelrechter Agrarboom entstanden, der die Bodenpreise explodieren ließ. 2008 platzte die Blase und heute sind die Ländereien nur noch die Hälfte wert.
Bilanz kommt von Gleichgewicht
In Deutschland beispielsweise ist die Zahl der Unternehmenspleiten seit Jahren rückläufig. Waren es 2009 noch 33000 Unternehmen, so dürften es dieses Jahr wohl unter 20000 werden. Die meisten Pleiten gibt es im dienstleistenden Gewerbe (5660 im ersten Halbjahr 2019). Der Handel hat seinen großen Aderlass offensichtlich hinter sich. Mit 2090 Pleiten sank die Zahl der Insolvenzen um 3,7 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018.
Nicht jede Pleite ist freilich cashflow-induziert. In vielen Fällen funktioniert zum Beispiel bei Neugründungen das Geschäftsmodell einfach nicht oder Unternehmen wurden durch Disruptoren vom Platz gefegt. Denken Sie zum Beispiel an das Modelabel Gerry Weber - ein prominentes Opfer dieses Frühjahrs - das jahrelang mit größten Anstrengungen gegen den Online-Handel ankämpfte. Beim Pralinenanbieter Leysieffer liegt der Fall dagegen ganz anders: Der Gesamtmarkt ist eingebrochen. Die Kunden kaufen insgesamt weniger der exklusiven Süßwaren.
Gegen derartige externe Risiken hilft kein Cashflow-Management, sondern nur ein umfassendes Risikomanagement. Wer aber einen intakten Markt vorfindet und dennoch mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen hat, der kann einiges tun, um nicht unnötig in Schieflage zu geraten.
Cashflow-Projektion
Zunächst geht es um Klarheit. Wie werden sich die Einkommensströme in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln und welche Zahlungsverpflichtungen müssen Sie erfüllen. Die Qualität der Prognosemodelle wird immer besser. Es lassen sich zum Beispiel auch externe Faktoren wie Wetter, Konjunktur oder Modeströmungen in die Kalkulation einbeziehen.
Einen Schritt weiter geht die Risikoanalyse. Hier geht es um die Bewertung potenzieller Ereignisse und deren Eintrittswahrscheinlichkeit. Was passiert, wenn nicht Ihr Unternehmen, aber Ihr wichtigster Lieferant in Schwierigkeiten gerät? Wie lange brauchen Sie, um ihn zu ersetzen und was kostet das an Umsatz? Und nicht vergessen: Wie viele Kunden gehen aufgrund des Lieferengpasses dauerhaft verloren? Ähnliches gilt auch für unternehmerische Risiken, wie zum Beispiel eine Grippewelle, die einige Ihrer Mitarbeiter treffen könnte.
Zahlungsausfälle vermeiden
Eine Bonitätsprüfung für Neukunden ist ab gewissen Beträgen sicher unerlässlich und die meisten Zahlungsdienstleister übernehmen diesen Job. Was aber kostet die Bonitätsprüfung im Vergleich zum Ausfallrisiko, und wie viele Kunden verliert man dadurch, dass man nur gewisse (sichere) Zahlungsmethoden anbietet? Und gibt es externe Faktoren wie Wechselkursschwankungen, die vermehrt zu Zahlungsausfällen führen könnten?
Cashflow beschleunigen
Cashflow-Management ist vom Prinzip her banal. Die ausstehenden Beträge müssen schneller reinkommen, als die Rechnungen zu bezahlen sind. Auch das lässt sich steuern, zum Beispiel in dem man schnelle Zahlungen rabattiert oder verstärkt schnelle Zahlungsmethoden anbietet. Stammkunden lassen sich möglicherweise auf Abschlagzahlungen ein. Auf der Rechnungsseite kann man per elektronischer Überweisung an das äußerste Ende der Zahlungsfrist gehen oder ebenfalls Rabatte bei schneller Zahlung mitnehmen.
Liquiditätsreserve planen
Keine Bank wird Ihnen gerne Geld geben, wenn Sie bekennen müssen, schlecht geplant zu haben. Wenn Sie eine Übergangsfinanzierung erhalten, wird diese vermutlich teuer. Ganz anders sieht es aber aus, wenn Sie diese Verhandlungen zu einem Zeitpunkt führen, wo Ihr Unternehmen floriert. Die Bank möchte sie gerne als Kunden behalten und ist für den Fall der Fälle (der in diesem Moment unwahrscheinlich wirkt) bereit, Kompromisse einzugehen.
Kommunikation
Das „Monitoring“ von Lieferanten und Kundenbeziehungen gehört zu den größten Herausforderungen im Risikomanagement. Neben der Auswertung der Daten, ist der „direkte Draht“ hier ein unverzichtbares Element, um frühzeitig Schieflagen beim Lieferanten oder nachlassendes Interesse beim Kunden zu spüren. Eine gute Kommunikationsebene eröffnet Ihnen auch die Möglichkeit, im Fall eines Liquiditätsproblems um einen Zahlungsaufschub oder eine Anzahlung zu bitten.
Und vielleicht ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt für Sie, um das Cashflow-Management zu etablieren oder zu optimieren, denn die globale Konjunktur lahmt und wir lesen jeden Tag von neuen Warnsignalen einer bevorstehenden Rezession, dies wird das Insolvenzrisiko steigen lassen.