Vom 26. bis 30. September 2022 fanden die Knowledge Power Days SALES & MARKETING von Dun & Bradstreet statt. Ein Programmpunkt war ein Webinar zum Thema MarTech mit Ralf Strauss. Im Interview beantwortet er die aktuellsten Fragen zu MarTech.
Die Knowledge Power Days vom 26. bis 30. September 2022 widmeten sich vielen spannenden und informativen Webinaren rund um die Themen Marketing und Sales. Auf dem Programm stand ein Webinar zum Thema MarTech. Mit von der Partie: Ralf Strauß, Herausgeber des Marketing Trend Monitor. Dun & Bradstreet hat ihm einige Fragen zu Data-Readiness, First Party Data, ePrivacy und vielen anderen gestellt.
Dun & Bradstreet: Was sind die wichtigsten MarTech-Trends und die wichtigsten Take-aways aus dem Marketing Tech Monitor 2022?
Ralf Strauß: Das sind drei Sachen: Zum einen ist es das Thema Data-Readyness, Data Strategy und Datenarchitekturen. Das Zweite: Was ist eigentlich mein Datenkern und wie aktiviere ich ihn, welche Dialogmarketing-Massnahmen wende ich an. Und drittens: Momentan rennen alle dem Thema Data Science und Marketing Analytics hinterher. Man hat alle Daten gesammelt, und was macht man jetzt eigentlich damit? Unternehmen sammeln sehr viele Daten. Was machen die Kunden und Interessenten, wie interagieren sie mit dem Unternehmen, welche Inhalte schauen sie an, welche Präferenzen haben sie. Wie schaffe ich es nun, a) diese Daten zu analysieren und b) sie als Insights in den laufenden Prozess einzusteuern.
Im Grunde geht es aber darum, dass die Marketingorganisationen ihre Hausaufgaben machen müssen. Sie müssen ran an die Datenstrategie und den Umgang mit First Party Daten. Und: Was will man eigentlich, was passt zu einem? Was sind die Anwendungsszenarien, die man fahren möchte – und welche Arten von Daten brauche ich dafür?
Dun & Bradstreet: Wieso ist das Thema First Party Daten momentan so wichtig?
Ralf Strauß: Dafür gibt es zwei Gründe: a) Marketingleute haben in den letzten Jahren User über Second oder Third Party Daten getrackt, in der Regel, ohne den Consent dazu zu haben. Sie haben alles eingesammelt, was gerade verfügbar war und ohne dass eine reguläre Geschäftsbeziehung bestanden hat. Das ist modernes Raubrittertum, wenn man mal ganz ehrlich ist. Dem aufgeklärten Konsumenten ist das natürlich ein Dorn im Auge, weswegen er sein Selbstbestimmungsrecht beansprucht und es per ePrivacy-Verordnungen auch zugewiesen bekommt.
Und b) muss man sich im Klaren sein, wer sind meine Kunden, meine Konsumenten, meine Prospects. Man muss wissen, was die überhaupt wollen. Man muss ihnen Sachen präsentieren, die für sie als Kunde oder Prospect relevant sind. Nicht mehr «Hau raus auf allen Kanälen», sondern punktuell und spezifisch Inhalte ausspielen. Das ist auch der Kern des Customer Experience Managements. Mit anderen Worten: «Spamme mich nicht voll. Wir kennen uns ja schon seit vielen Jahren. Also sprich mich doch mit etwas an, das für mich auch relevant ist».
Dun & Bradstreet: Wo stehen die Marketing-Organisationen heute bei der Digitalisierung der Prozesse?
Ralf Strauß: Knapp ein Viertel der Unternehmen im DACH-Raum sagt tatsächlich, sie hätten alle Daten aggregiert und konsolidiert und verfügten auch über eine eigene, dedizierte Datenstrategie. Auf dem Datenlayer sind sie also auf einem guten Stand. Ein Viertel ist also «ready to play». Die anderen sind eher «in the works».
«Data ready» zu sein, heisst aber nicht, dass man weiss, wie man die Daten sauber aktiviert bekommt. Man hat dazu erst die Grundvoraussetzung geschaffen. Ich schätze, dass vielleicht 10 % mittlerweile einen Plan haben, wie sie die Daten aktivieren.
Man hat die Daten, man die Aktivierung, man hat die Tools. Online-Händler und eCommerce-Anbieter, also alle, die eher ein eindimensionales Geschäftsmodell haben, sind bereits weiter als diejenigen, die einen Point-of-Sale oder stationären Handel haben. Letztere sind noch deutlich weiter hinten dran, weil da die Komplexität viel grösser ist.
Dun & Bradstreet: Was sind die Herausforderungen für die Marketing-Organisationen? Wieso sind sie bei der Digitalisierung noch nicht weitergekommen, obwohl sie es eigentlich müssten?
Ralf Strauß: Sie müssten eigentlich beginnen, die Daten bei sich aufzuräumen und zu konsolidieren. Da hat sich über die Jahre einiges angesammelt. Der zweite Punkt: Die Verantwortlichen benötigen Anwendungs-Know-how. Das ist nicht so einfach und lässt sich nicht über Nacht nachholen. Und der dritte Punkt: Man braucht erfahrene Projektmanager, also Leute, die diese ganzen Prozesse und Themen stemmen (können). Die brauchen Erfahrung. Denn die Projekte sind in vielen Fällen grösser und ausufernder, als man das vorab erwartet. Ganz wichtig: Sie müssen aber auch mal «Nein» sagen können.
Dun & Bradstreet: Welche Handlungsempfehlungen würden Sie Marketingverantwortlichen für das kommende Jahr mit auf den Weg geben? Was sind die Jobs-to-be-done?
Ralf Strauß: Als Erstes sollen sie das, was sie machen, gegenüber der Konkurrenz benchmarken. Das im Sinne einer Status-Verortung. Wo stehe ich eigentlich? Daraus folgt eine Priorisierung der Handlungsfelder. Ich erinnere mich an ein Beispiel eines Unternehmens. Dort war man der Meinung, man bräuchte ein CDP (Customer Data Platform). Wir haben mit denen mit der globalen MarTech Benchmarking Database ein Benchmarking durchgeführt und es ist herausgekommen, inklusive Diskussion um Prioritäten, dass sie besser in Richtung Marketing-Ressource-Management gehen, also Planung, Steuerung und Digital-Asset-Management, anstatt sich ein teures Tool ins Haus zu holen, mit dem eh niemand umgehen kann.
Zusammengefasst: Benchmarking machen, Priorisierungen vornehmen und daraus einen Bebauungsplan für die nächsten Jahre ausarbeiten. Man muss sich aber im Klaren darüber sein, dass die einzelnen Tasks auf dem Zeitstrahl auf einmal wieder irrelevant sein können, dass es also ein iterativer Prozess ist, der in den nächsten fünf Jahren nicht stabil sein wird. Es ist nicht so, dass man ein Tool einführt und mit dem in den nächsten Jahren arbeiten wird. Man muss permanent alles hinterfragen und sich gegebenenfalls neu aufstellen und neue Tools oder Prozesse einführen. Das macht das Ganze natürlich unglaublich anstrengend und aufwendig.
Dun & Bradstreet: Die ePrivacy-Verordnungen sind heute ein Fakt. Daran müssen sich alle halten. Dazu wird Google die 3rd Party Cookies in Chrome verbieten. Was sind die Folgen fürs Marketing?
Ralf Strauß: Ich glaube zutiefst, dass Google uns vor sich herscheucht. Einmal heisst es, die 3rd Party Cookies werden abgestellt, dann aber doch nicht oder erst später. Es ist schon eine seltsame Situation. Die grosse Empfehlung ist, dass man sämtliche Third-Party-Data-Diskussionen vergisst. Gehen Sie davon aus, dass Third Party Cookies weg sind. Man muss dann im Sinne der Datenstrategie definieren, was man machen kann, um Kunden und Prospects zu gewinnen und zu aktivieren. Ich bin mir nicht sicher, ob die Diskussion über ePrivacy und 3rd Party Cookies im Kern etwas bringt. Das wird schon seit zweieinhalb Jahren diskutiert. Aber im Endeffekt läuft es darauf hinaus: Erarbeite deine eigene Datenstrategie und sieh zu, dass du über First Party Data tatsächlich Daten sammelst, generierst und aktivierst.
Dun & Bradstreet: Zuwarten ist aber keine Option.
Ralf Strauß: Nein, aber das hat nichts damit zu tun, was Google macht oder eben nicht macht, sondern was tun eigentlich die Mitbewerber. Alle schauen, dass sie First Party Daten sammeln und aktivieren. Und wenn man der Letzte ist, der das macht, dann gerät man sehr schnell ins Hintertreffen. Dann sehe ich noch das Thema «Loyalty Management». Die Kundenbindungsprogramme bekommen einen neuen Schub. Apps für Händler kommen wieder, ebenso Loyalty-Programme, wo man Punkte sammelt. Die Frage dabei ist, wie stelle ich mich auf, um den Kunden oder Prospects spannende Incentives zu bieten.